Wie aus einem Wunsch eine Zukunft erwachsen kann. Annika erzählt ihre spannende Geschichte:
Es gibt wenige Tage im Leben, an die man sich für immer erinnert und es gibt noch weniger Tage, die man im Nachhinein als Wendepunkte seines Lebensweges erkennt. Ich weiß noch jedes Detail vom 26. November 2016 – obwohl meine Wunscherfüllung nun fast vier Jahre her ist.
Während ich diese Mutmachergeschichte schreibe, hängt ein Bilderrahmen mit den Fotos meines Traumtages hinter mir in meiner Studentenwohnung an der Wand. Sie sind Motivation für schlechte Tage. Wünschdirwas ermöglichte es mir, einmal Bundesliga-Luft zu schnuppern und gleichzeitig das zu machen, wovon ich seit klein auf Tag und Nacht gesprochen habe: Von der Pressetribüne ein Fußballspiel live erleben.
Ich bin noch immer fasziniert von den exklusiven Eindrücken, die ich damals bekommen habe. Den heiligen Innenraum zu betreten, die Katakomben des Ingolstädter Stadions zu sehen und vor allem die legendäre Bundesliga-Radio-Konferenz live zu erleben – mit Regietönen im anderen Ohr. Mitzubekommen wie sowohl die Live-Regie als auch der Beitrag für die Sportschau produziert wird, war zum einen wahnsinnig interessant und zum anderen motivierend: Ich habe mir damals geschworen, dass ich das wieder erleben möchte. Diesmal nicht als Fan, sondern als Journalistin. In der Zeit der Wunscherfüllung hatte ich zwar gerade mein Abitur in der Tasche, es war aber trotzdem unsicher, wie es weitergeht. Dass ich Journalistin werden will, war klar und dass ich am liebsten in bekannten Redaktionen von ARD und ZDF arbeiten wollte auch – aber ganz ehrlich: Damals war ich 18 Jahre, ordentlich grün hinter den Ohren und die Realität hat mich schnell eingeholt. Ich werde nachts beatmet, habe eine halbe Intensivstation auf meinem Zimmer stehen. Da ist es nicht so leicht, die großen – mancher sagte auch naiven – Träume, die ich bis heute habe, zu verwirklichen. Aber seit meiner Wunscherfüllung arbeite ich daran. So gut es eben geht, mit dem Extraaufwand an Pflegedienst, einer perfekt funktionieren müssenden Selbstversorgung und -einschätzung.
Was ist seit November 2016 passiert? Ich war als Gast in einer Talkshow und habe noch mehr Fernseh-Luft geschnuppert. Ich studiere weit weg von Zuhause, habe mich dort selbst völlig neu kennengelernt, regelmäßig an meine Grenzen manövriert und unendlich viel gelernt. Ich habe mich journalistisch weiterentwickeln können, habe bei vielen Weltcups an der Bande gestanden, um als Radio-Reporterin nationale und internationale Sportgrößen zu interviewen, und bin sogar drei Semester Chefredakteurin gewesen. Ich schreibe das nicht, um mich zu profilieren. Ich möchte zeigen, dass bei allem Kampf, den ich mit meinem Körper oft genug ausfechte, es möglich ist, sich Tag für Tag da rauszuarbeiten. Tagsüber bin ich die sportverrückte Annika, nachts bin ich halb tot. Es ist eigentlich völlig absurd. Diese Erfahrung während meines Studiums haben vor allem Engagement, einen großen Willen und Nerven wie Drahtseile erfordert. Und ehrlicherweise auch eine große Frustrationstoleranz. Aber sie haben mich fit gemacht für meinen nächsten großen Schritt: Im Mai bin ich nun erneut umgezogen, diesmal nach Mainz. Praxissemester trotz Corona-Pandemie, zuerst im ZDF, unter anderem beim heute journal, und dann beim SWR in der – ihr ahnt es schon – Sportredaktion. Obwohl ich aufgrund der Hygieneregeln und Zutrittsbeschränkungen natürlich viel weniger sehen konnte, bin ich dankbar, dass ich überhaupt sechs Monate mit Menschen wie Claus Kleber, Tom Bartels und Co. mitlaufen durfte. Wenn mir das wer vor drei Jahren gesagt hätte … Außerdem: Das Stadion Live-Erlebnis, das mir verwehrt blieb, habe ich ja schon hinter mir.
Und jetzt? Eigentlich sollte ich inzwischen in München sein, bei meiner dritten Praktikumsstelle. Beim Bayerischen Rundfunk in der Sportredaktion hätten mich ab Januar dann unter anderem mein damaliger Wunscherfüller Robert und Sportschau-Reporter Markus Othmer erwartet. Dieses schöne Wiedersehen musste ich absagen, weil der logistische Aufwand mit Umzug und erneuter Pflegedienstsuche in einer Pandemie leider viel zu groß wurde.
Dafür kann ich in Mainz bleiben, die Stadt am Rhein, in die ich mich schockverliebt habe. Dafür bin ich ein Semester eher mit meinem Studium fertig, weil ich gerade meine Bachelorarbeit schreibe. Und dafür habe ich ab nächstem Jahr die Chance, mich in der Medienhauptstadt auf Jobs in coolen Redaktionen zu bewerben. Ich bin nach den sechs Monaten Praktikum heiß auf mehr!
Es passieren verrückte Dinge im Leben und manchmal würde ich mir Normalität wünschen. Weniger Organisieren, weniger Bangen, keine Nächte mit alarmierenden Geräten, keine Extrawürste, die ich brauche und die mich mehr ärgern als erfreuen. Es gibt Tage, an denen ist mir alles zu viel, an denen ich Energiebündel sehr ruhig werde. Seit ich gelernt habe zu akzeptieren, dass es nicht immer gut laufen kann und auch schlechte Tage einfach erlebt werden müssen – seitdem bin ich noch stärker geworden. Ich weiß nicht, ob mein Traum wahr wird und ich irgendwann Sportjournalistin werde. Aber ich weiß eines: Der 26. November 2016 hat mir im Nachhinein mehr gebracht als ich je für möglich gehalten hätte. Zum einen habe ich dort in der Regie zufällig einen großen Unterstützer kennengelernt, mit dem ich bis heute guten Kontakt habe und zum anderen meine wohl wichtigste Erkenntnis mitgenommen: Alles ist möglich, solange du an deine Träume und an dich glaubst.
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